Christa Schechtl's
"Der Schrei" 2

Eines der schrecklichsten Todeshäuser in der Ukraine - es besteht seit 1920 - mordet weiter. Alle Versprechungen, die die Stadtverwaltung Wolfgang Apel und mir gegeben hat, wurden gebrochen. Zwar hat der Deutsche Tierschutzbund Pläne für ein Tierheim erarbeitet, dafür Gelder gesammelt, Architekten und Vermittler vor Ort geschickt, doch seit mehr als eineinhalb Jahren wird nur verhandelt. Nun scheint, wieder einmal, ein Durchbruch gelungen zu sein.

Der deutsche Tierschutzbund hat ein Grundstück zugewiesen bekommen, Verträge wurden unterzeichnet und das Todesverlies soll in die Obhut des Deutschen Tierschutzbundes übergeben worden sein. Fürs Erste soll es als Auffanglager dienen. Noch in diesem Jahr soll auch mit dem Bau des ersten Tierheimes in Odessa begonnen werden. Ich werde im November in Odessa sein.

Odessa macht mich wütend und sehr ungeduldig. So kann ich im Moment nur vereinzelt retten und helfen. 

So die kleine schwarze Mischlingshündin Alexandra. Als ich sie entdeckte, war ihr Fell blutig, voller Kot und Urin. Ihr winziger Körper wird von ihren Leidensgenossen getreten und fast erdrückt. Zart schiebe ich meine Hand durchs Gitter und streichle ihr Gesicht. Sie lässt es regungslos geschehen. Nur ihre unglaublich schwarz-schimmernden traurigen Augen schauen mich so durchdringend an, dass es mein Herz zuschnürt.

Morgen schon wird Alexandra tot sein. Ich gehe weiter, fotografiere die anderen Hunde, alles Todeskandidaten und spüre Alexandras Blick. Mein Gott, ich muss wenigstens sie retten. Und ich schaffte es. Zog das kleine Bündel aus dem schrecklichen Verlies, gab ihm Liebe und Wärme. Stundenlang zitterte der kleine Körper. Ich nahm sie in mein Hotelzimmer, badete sie vorsichtig und gab ihr zu essen. Alexandra hustete stark, hatte wenig Appetit. Mit den nötigen Papieren flog ich nach Deutschland, ließ sie sofort vom Tierarzt untersuchen.

Dann die Überraschung: Die winzige Alexandra, kleiner als mein Kater Peppino, ist bereits an die drei Jahre. Außer einem Zwingerhusten war sie kerngesund. Nach acht Tagen war die kleine Maus bereits stubenrein und nun wurde es Zeit, für sie ein sonniges Zuhause zu suchen. Doch kein Platz war mir gut genug. Nun gehört Alexandra, das außergewöhnliche Lebewesen, zu meinem Leben, zu meinem Wolfsspitz Batzi und meinen drei Katzen.

Alexandra wurde von Tag zu Tag selbstbewußter, läuft ohne Leine und auch leider mit tosendem Gebell den Radfahrern hinterher. Mit viel Mühe habe ich ihr das wieder abgewöhnt. Alexandra gerettet zu haben, ist Tag für Tag ein Geschenk für mich - natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber ein Lebewesen hat überlebt. Und für die anderen werde ich weiterkämpfen. Und zwar so lange, bis in Odessa kein einziges Tier mehr von der Straße gefangen wird, um dann getötet zu werden.

Alexandra im Todeshaus

Diese Augen, diese schimmernden, pechschwarzen Augen haben sich in mein Herz gebohrt, als ich Alexandra zum ersten Mal im Todeshaus von Odessa sah. Wem hatte diese kleine Maus was getan ? Heute lebt Alexandra mit mir und meiner kleinen Hausbande in München.

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